Unzulässige Kürzung von Sachverständigenhonorar – kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB
– Sachverständigenhonorar – In einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Köln – Az. 269 C 207/15 – hat das Gericht am 12.02.2016 entschieden, dass die in einer Verkehrsunfallsache auf Schadenersatz in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners auch die im Rahmen der Schadenbezifferung entstandenen Sachverständigenkosten vollständig zu tragen hat. Einwände bezogen auf die Höhe des Honorars wurden zurückgewiesen.
Das Amtsgericht Köln hat wie folgt entschieden:
- die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 132,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.06.2015 zu zahlen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand (gemäß 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe:
(Sachverständigenhonorar)
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der tenorierten Summe gemäß §§ 7 Abs.1, 17 Abs. 1 StVG, 249 ff- BGB. 115 VVG.
Die Beklagte haftet unstreitig für die Unfallfolgen aus dem streitbefangenen Verkehrsunfall.
Der Kläger hat mit der Beauftragung des Sachverständigenbüros nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Somit hat die Beklagte die weiteren Kosten für das durch den Kläger beauftragte Sachverständigengutachten zur Schadensfeststellung die erforderlichen Kosten zu ersetzen.
Der Kläger durfte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und kann von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.). Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des erkennenden Gerichts diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.
Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. BGH a.a.O.). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (vgl. BHG, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02 -, juris).
Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90 – juris). Maßgeblich ist, ob die nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlicher Herstellungsaufwand verlangten Kosten vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet dem Geschädigten, den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage, d.h. angesichts seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung etwaiger gerade für bestehender Schwierigkeiten, als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12 -, juris).
Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen – Sachverständigenhonorar – betreiben (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.). Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von „ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. In der tatsächlichen Rechnungshöhe schlagen sich die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12 -, juris).
Die Forderung des Sachverständigen gegen den Kläger wurde vollumfänglich von diesem ausgeglichen.
Letztlich sind allerdings nicht die rechtliche geschuldeten, sondern die im
Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris, m.w.N.). ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.).
Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht hierbei grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (vgl. BGH, Urtei vom 07. Mai 1996 – VI ZR 225/13 -, juris). Solche Umstände, die für den Kläger erkennbar waren, sind hier nicht dargelegt worden.
Mit diesen Grundsätzen sind, auch im Rahmen der freieren Stellung des erkennenden Gerichts bei der Schadensbemessung nach § 287 Abs. 1 ZPO, die Erwägungen nicht zu vereinbaren, mit denen die Beklagte hier zu einer Kürzung der vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten gelangt ist. Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat das Gericht zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergibt, darf sie nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (vgl. BVerfG NJW 2010, 1870 Rn. 19). Nach diesen Maßstäben durfte die Beklagte nicht die dem Kläger vom Schadengutachter in Rechnung gestellten Kosten auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes oder der Rechtsprechung zu dieser Thematik kürzen. Nur wenn der Kläger hätte erkennen können, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlang, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, juris).
Solche Umstände lagen hier nicht vor. Weiter war der Kläger gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet eine Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot zu wählen. Darüber hinaus musste dem Kläger auch nicht das Ergebnis der Umfrage bei den Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare oder die Rechtsprechung zu dieser Thematik bekannt sein. Somit fallen aber die geltend gemachten Kosten nicht von vornherein aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens -Schaden – erforderlichen Geldbetrags nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Deshalb hätte die Beklagte vorliegend darlegen und beweisen müssen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung nach „ 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.). auch sonstige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine Überhöhung der Forderung hätte erkennen können, sind nicht ersichtlich.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2, Nr. 3 BGB. Die Beklagte hat eine Zahlung der restlichen Sachverständigengebühren mit ihrem Schreiben vom 12.06.2015 ernsthaft und endgültig verweigert.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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