Schadensersatz und Schmerzensgeld Verkehrsunfall – Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes – § 287 ZPO
– Genugtuungs- & Ausgleichsfunktion – Schmerzensgeldes –
Das Amtsgericht Leverkusen hat in einer Verkehrsunfallsache eine Entscheidung (Az.: 21 C 474/14) zu Schadensersatz und Schmerzensgeld getroffen. Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz und weiteres Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall. Der Kläger war Fahrer und Eigentümer des unfallbeteiligten PKW. Die Beklagte war die Haftpflichtversicherte des anderen unfallbeteiligten PKW . Im September 2014 kam es auf der Autobahn zu einem Auffahrunfall. Dabei entstand ein im Einzelnen umstrittener Sachschaden an dem Fahrzeug des Klägers. Die Beklagte zahlte an den Kläger außergerichtlich lediglich einen Teilbetrag des Schadens. Die Beklagte hat bezogen auf alle Schadenpositionen Abzüge vorgenommen bis auf die Unfallkostenpauschale. Die Schmerzensgeldzahlung bedingt durch Verletzungen an der HWS mit Kopfschmerzen, an der BWS mit Ausstrahlundg in den Armt war untersetzt.
Die Beklagte zahlte außergerichtlich an den Kläger zum Ausgleich der Schäden folgende Summe:
2.580,95 € Fahrzeugschaden
1.000,00 € Mekantiler Minderwert
400,00 € Nutzungsausfallschaden
25,00 € Unfallkostenpauschale
4.005,95 € Insgesamt
Ferner zahlte die Beklagte 350,00 € Schmerzensgeld.
Der Kläger behauptet, ihm seien insgesamt folgende Schäden entstanden und die in diesem Zusammenhang durchgeführten Reparaturarbeiten seien auch erforlderlich gewesen (für die Einzelheiten wird auf das Privatgutachten in Bl. 7 ff. d.A. Bezug genommen):
5.633,51 € Fahrzeugschaden
1.150,00 € Mekantiler Minderwert
822,59 € Sachverständigengutachten
400,00 € Nutzungsausfallschaden
59,20 € Sachverständigengebühr (Reparaturnachweis)
25,00 € Unfallkostenpauschale
8.090,30 € Insgesamt
Ferner behauptet der Kläger, unfallbedingt an einer HWS-Distorsion mit Kopfschmerzen, BWS Syndrom und in den Arm ausstrahlenden Nervenschmerz (sog. zervikobrachiales Syndrom) gelitten zu haben. Er sei bis zum 02.10.2014 arbeitsunfähig gewesen. Auch nach dem 16.11.2014 habe er noch an Nackenverspannungen gelitten und hätte für weitere 2-3 Wochen krankgeschrieben werden können.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stünden weitere 150,00 € Schmerzensgeld zu.
Der Kläger hat die Klage i.H.v. 0,65 € bzgl. Der Unfallkostenpauschale in der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2015 zurückgenommen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
- die Beklagte (B) zu verurteilen, an den Kläger EUR 4.084,26 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2014 zu zahlen.
- die B zu verurteilen, EUR 150,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.
- die B zu verurteilen, an den Kläger EUR 315,59 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Von der Beklagten wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 29.07.2016 (Bl. 159–219 d.A.) Bezug genommen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen, insbesondere die des Klägers vom 09.12.2014 (Bl. 1-45 d.A.) sowie der Beklagten vom 23.02.2015 (Bl. 53-90 d.A.).
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Sachverständigengutachtens.
Entscheidungsgründe:
(Genugtuungs- & Ausgleichsfunktion – Schmerzensgeldes)
Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
Die Klage ist zulässig.
Das angerufene Gericht ist gem. § 32 ZPO, § 20 StVG aufgrund des in Leverkusen – Autobahnkilometer 398,6 auf der BAB 1 – liegenden Unfallortes örtlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 23 Nr. 1 GVG. Danach ist für Streitigkeiten mit einem Streitwert, der 5.000,00 € nicht übersteigt, das Amtsgericht sachlich zuständig.
Dem Kläger steht es frei, gem. § 264 Nr. 2 ZPO seinen ursprünglichen Klageantrag in der Hauptsache zu beschränken. Dies geschah in der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2015. Die Beklagte hatte der Änderung nicht widersprochen; in ihrem konkludenten Verhalten lag mithin die rügelose Einlassung auf den ermäßigten Antrag.
Die Klage ist jedoch nur zum Teil begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 2.151,06 € gem. den §§ 7, Abs. 1, 17 Abs. 1,2, 18 StVG, 249 ff. BGB, 115 VVG.
Die Beklagte ist Haftpflichtversicherte des unfallverursachenden Fahrzeuges.
Durch das Auffahren auf das Fahrzeug des Klägers rief der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs in rechtswidriger Weise bei Betrieb eines Kraftfahrzeuges i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG eine Rechtsgutsverletzung (Beschädigung des Eigentums) bei jenem hervor.
Höhere Gewalt lag nicht vor, § 7 Abs. 2 StVG.
Bei dem Unfall handelte es sich aus Sicht des Klägers um ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG. Als am Stauende stehendes Auto hatte der Kläger keine Möglichkeit, den Unfall abzuwenden.
Der Höhe nach beläuft sich der o.g. Anspruch auf eine Summe von insges. 6.157,01 €, die sich wie folgt zusammensetzt:
3.909,42 € Fahrzeugschaden
1.000,00 € Merkantiler Minderwert
822,59 € Sachverständigengutachten
400,00 € Nutzungsausfallschaden
25,00 € Unfallkostenpauschale
6.157,01 € Insgesamt
I.H.v. 4.005,95 ist der Anspruch durch die Zahlung der Beklagten vom 18.11.2014 gem. § 362 BGB erloschen.
Es verbleibt ein Anspruch i.H.v. 2.151,06 €, der sich aus dem restlichen Schadensersatz für den Fahrzeugschaden und den Sachverständigengebühren zusammensetzt. Im Übrigen ist der Klageantrag zu 1) der Höhe nach unbegründet.
Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen sieht das erkennende Gericht den umstrittenen Schaden am Fahrzeug nur in o.g. Höhe als bewiesen an. Nach dem in § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Die danach erforderliche Überzeugung des Richters gebietet keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der Zweifeln Schweigen gebietet. Dies ist vorliegend der Fall.
Der Sachverständige ist in seinem Gutachten zu folgenden Feststellungen gekommen:
Insgesamt seien die Kosten für eine sach- und fachgerechte Instandsetzung derjenigen Schäden am Heck des Kläger-PKW, die der Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug zugeordnet werden könne, mit 3.909,42 € zu beziffern. Unter Berücksichtigung aller wertbildenden Faktoren ergebe sich zudem ein merkantiler Minderwert in Höhe von 1.000,00 €.
Dabei konstatierte der Gutachter, dass die Reparatur des Heckschadens nicht gem. dem im klägerseits eingereichten Privatgutachten vorgezeichneten Reparaturweg erfolgte, sondern eher eine Instandsetzung unter „kosmetischen“ Gesichtspunkten stattfand (Bl. 168 d.A.). Dazu führte der Sachverständige im Einzelnen aus, welche Reparaturen an der Heckklappe, dem Heckabschlussblech, der Reserveradmulde und der Seitenwand hinten rechts vorgenommen wurden und kam zu dem o.g. Ergebnis (Bl. 169-171 d.A.). Dieses ergäbe sich darauf, dass keine Schäden am Kofferraumboden und der Reserveradwanne festgestellt werden konnten und die Beschädigungen am Heckabschlussblech nicht so gravierend seien wie im klägerseits eingereichten Privatgutachten angegeben. Jedenfalls sei der Schaden am fraglichen Blech instandsetzungsfähig. Die Reparatur selbst sei nicht sach- und fachgerecht vorgenommen worden; vielmehr sei die Außenkontur mit einem dicken Spachtelauftrag „modelliert“ worden. Bzgl. der Delle in der Seitenwand kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass es sich nur um einen ereignisfremden Schaden handeln könne. Alles in allem sei für die Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt ein Betrag von 3.909,42 € anogemessen.
Den merkantilen Minderwert errechnete er anhand diverser Faktoren (Bl. 173-174 d.A.) und verschiedener Berechnungsmethoden (Bl. 175 ff. d.A.) auf die o.g. 1.000,00 €, wobei die Spannweite der Wertminderungen je nach Berechnungsmethode zwischen 500,00 € und 1.300,00 € betrug.
Das Gericht folgt diesen überzeugenden Ausführungen. Als Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle ist der Sachverständige für die vorliegende Begutachtung besonders qualifiziert. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Insbesondere ist der Sachverständige von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt. Insbesondere schließt sich das erkennende Gericht im Rahmen seiner ihm gem. § 268 Abs. 1 S. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung den Schlussfolgerungen des Sachverständigen in Bezug auf den merkantilen Minderwert sowie etwaige Vorschäden an. Es erscheint fernliegend, dass letztere durch den hier streitgegenständlichen Unfall verursacht worden sind. Auch erscheint der merkantile Minderwert im Rahmen der Bandbreite der verschiedenen Berechnungsmethoden angemessen.
Die Kosten der Reparaturbestätigung sind nicht durch die Beklagte zu ersetzen, da die Bestätigung der bereits durchgeführten Reparatur nicht der Beseitigung des Fahrzeugschadens dient. Es handelt sich aus diesem Grund um keine nach § 249 BGB erforderlichen Herstellungskosten (stellv. AG Ratingen, Az. 9 C 49/12, BeckRS 2012, 21641).
Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen auf den o.g. Betrag gem. den §§ 280 Abs. 1,2, 286, 288 Abs. 1 S. 2 , 247 BGB. Nach § 187 Abs. 1 BGB besteht dieser ab dem 20.11.2014, da die Beklagte mit Schreiben vom 13.11.2014 mit Fristsetzung bis zum 19.11.2014 zur Zahlung aufgefordert worden ist.
Schmerzensgeld
Der Klageantrag zu 2.) war unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines (weiteren) Schmerzengeldes über die bereits gezahlten 350,00 € hinaus.
Beweis über die an sich umstrittenen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit des Klägers brauchte nicht erhoben zu werden, weil selbst dann kein Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld besteht, wenn man diese als wahr unterstellt.
Die Gewährung von Schmerzensgeld dient dem Ausgleich für erlittenes Leid und der Genugtuung (BGH, BGHZ 18, 149). Bei Verkehrsdelikten tritt die Genugtuungsfunktion hinter die Ausgleichsfunktion zurück (BGH, BGHZ 18, 149). Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich daher in erster Linie nach dem Umfang und den Auswirkungen der körperlichen oder gesundheitlichen Schädigung selbst. Die Höhe des Schmerzensgeldes liegt nach § 287 ZPO im Ermessen des Gerichts.
Bemessungsgrundlage sind auf Seiten des Verletzten insbesondere das Maß der Lebensbeeinträchtigung, Umfang und Dauer der Beeinträchtigung (OLG Oldenburg, NJW-RR 1996, 215), Heftigkeit der Schmerzen und die Fraglichkeit der endgültigen Heilung. Auf Seiten des Schädigers ist vorrangig der Grad seines Verschulden zu berücksichtigen (BGH, BGHZ 18, 149, 128, 117; NJW 1993, 1531; NJW 1995, 1438).
Infolge des Unfalls erlitt der Kläger – dies ist aber grds. Umstritten – eine HWS-Distorsion mit Kopfschmerzen, ein BWS Syndrom und in den Arm ausstrahlenden Nervenschmerz (sog. zervikobrachiales Syndrom) und war ca. 2-3 Wochen arbeitsunfähig. Bleibende Schäden oder sonstige Dauerfolgen trug er unstreitig nicht davon.
Schmerzensgeld erhöhend ist auf Seiten des Schädigers lediglich der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen; außer der Schuld am Unfallgeschehen selbst kamen keine schwerwiegenden Verfehlungen hinzu. Vielmehr zeigte die Beklagte als Versicherung des Schädigers ein zügiges Regulierungsverhalten und stellte einen Betrag von 350,00 € zur Verfügung, was Schmerzensgeld mindernd zu berücksichtigen ist.
Das auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung der Verletzungen und der (nicht) bleibenden Folgen sowie der übrigen Umstände an den Kläger zu zahlende Schmerzensgeld wird mit 350,00 € beziffert. Dieser Betrag entspricht den in vergleichbaren Fällen zuerkannten Beträgen und fügt sich in das Gesamtsystem der Rechtsprechung zur Höhe des Schmerzensgeldes ein, wobei bei der Heranziehung älterer Entscheidungen die inzwischen eingetretene Geldentwertung berücksichtigt ist (vgl. stellv. LG Trier, Az. 11 O 157/93. IMMDAT 1889 (HWS-Syndrom, Zerrung, Verstauchung; 357,90 €) AG Bonn, ZfS 1990, 404, IMMDAT 1352 (HWS-Syndrom mit „möglicherweise verübergehend stärkeren Herzbeschwerden (bei entsprechender Vorschädigung)“, 8 Tage 100%, 357,90 €); LG Aachen, R+S 1986, 207, IMMDAT 163 (HWS-Syndrom, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, 3 Wochen Beschwerden; 357,90 €); AG Hannover, Az. 526 C 9463/96, IMMDAT 3302); Palandt/Grüneberg, 72 Aufl. 2013, § 253 Rn. 15). Damit sind alle immateriellen Unfallschäden abgegolten, die gegenwärtig bekannt sind oder mit deren Eintreten heute objektiv zu rechnen ist.
Der Kläger hat ferner (Klageanspruch zu 3.)) einen Anspruch auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 160,95 € (obsiegende Quote von 51% aus 315,59 €) sowie auf Zahlung von Verzugszinsen hierauf ab dem Tag nach der Zustellung (28.01.2015); §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 1 S. 2, 247, 187 Abs. 1 (analog) BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 2. Alt.; 264 Nr. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 S. 2 ZPO, §§ 708 Nr. 11, 711 S. 2 ZPO i.V.m. § 709 S. 2 ZPO analog.
Der Streitwert wird auf 4.234,91 EUR festgesetzt.
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