Die Gewerbemiete in Zeiten von Corona – Verhandlungsposition der Gewerbemieter gestärkt
Steigende Infektionszahlen führen zu verstärkten Einschränkungen für gewerblich genutzte Mietflächen. Mit der Frage, ob eine volle Zahlung der Miete verlangt werden kann, auch wenn die Nutzung des Mietobjekts stark beeinträchtigt ist, mussten sich die Gerichte befassen. Die Urteile sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Strittig ist sowohl, ob eine Mietminderung über § 536 Abs. 1 BGB möglich ist, als auch, ob eine Anpassung der Miete über das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) erfolgen kann. Ein Überblick zur aktuellen Rechtsentwicklung:
Im ersten Lockdown wurde noch davon ausgegangen, dass eine Corona-bedingte Schließung kein Grund für eine Mietminderung darstellt, nunmehr hat am 31.12.2020 eine Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gewerbemietrecht stattgefunden. Hiernach gilt: Sind vermietete (oder verpachtete) Gewerberäume infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand i.S.d. § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
Hiernach gilt die Vermutung nur für das sogenannte reale Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB, dass sich also ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
Auch nach der gesetzlichen Neuregelung muss ein Mieter daher darlegen und beweisen, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten und dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Auch an der Rechtsfolge, dass eine Vertragsanpassung nur im angemessenen Umfang begehrt werden kann, soll sich durch die Neuregelung nichts ändern. Es könne nur diejenige Rechtsfolge begehrt werden, welche die schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile in ein angemessenes Gleichgewicht bringe. Es hänge daher immer vom Einzelfall ab, ob für den Zeitraum, in dem ein Betrieb von einer staatlichen Maßnahme betroffen ist, zum Beispiel eine Stundung oder Anpassung der Miethöhe, eine Verringerung der angemieteten Fläche bei gleichzeitiger Herabsetzung der Miete oder auch die Aufhebung des Vertrags angemessen sei.
Erklärtes Ziel der neuen Regelung ist, die Verhandlungsposition von Gewerbemietern zu stärken.
Zugunsten einer Mieterin entschied das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. Ein Textilgeschäft der Kette „KiK“ war im ersten Lockdown aufgrund von Allgemeinverfügungen des Landes geschlossen worden. Die Miete für April 2020 zahlte die Textilkette nicht. Der Vermieter klagte und gewann in erster Instanz. Auf die Berufung hin hob das OLG Dresden dieses Urteil nun auf (Urt. v. 24.2021, Az. 5 U 1782/20).
Es sei, so die Dresdner Richter, eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB eingetreten. Der Vertrag sei anzupassen, die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte zu reduzieren. Keine der Parteien habe eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen. Es sei daher angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen.
Auch bei einem Urteil des OLG Karlsruhe (Urt. v. 24.02.2021, Az. 7 U 109/20) ging es um „KiK“ und die Monatsmiete für April 2020. Im dortigen Verfahren aber hatte das erstinstanzlich entscheidende Landgericht dem klagenden Vermieter Recht gegeben, und das OLG Karlsruhe bestätigte dies nun.
Eine Corona-bedingte Schließungsanordnung begründet laut dem OLG Karlsruhe keinen Sachmangel. Der Zustand der Mieträume erlaube die Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume weiterhin. Mieterinnen und Mietern sei es nur dann wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unzumutbar, den vollständigen Mietzins zu zahlen, wenn ihre Inanspruchnahme ihre Existenz vernichten oder ihr wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigen würde und auch die Interessenlage des Vermietenden eine Vertragsanpassung erlaube.
Gleichzeitig betont der Gesetzgeber, dass allgemeine und mietrechtliche Gewährleistungs- und Gestaltungsrechte vorrangig gegenüber § 313 BGB seien und hieran auch nichts geändert werden solle.
So könnten öffentlich-rechtliche Beschränkungen – abhängig von den Umständen des Einzelfalls und den konkreten vertraglichen Vereinbarungen – auch einen Mangel im Sinne von § 536 BGB darstellen.
Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch des Gewebeobjektes mindern und damit einen Sachmangel darstellen. Es ist anerkannt, dass öffentlich-rechtliche Beschränkungen als rechtliche Verhältnisse einen Mangel darstellen können, wenn sie sich auf Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage der Sache beziehen, wobei es auf den vereinbarten Geschäftszweck ankommt und die Beschränkung grundsätzlich bestehen muss (ZVertriebsR 2021, 36 Rn. 23; Palandt, BGB, 2020, § 536 Rn. 18).
Anders als das Landgericht München sehen das Landgericht Mönchengladbach und etwa das Amtsgericht Bielefeld die Voraussetzung für eine Mietminderung nicht als erfüllt an. Dies begründen sie damit, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben muss (BGH NJW 2011, 3151 Rn. 9, 17; vgl. BGH, Urteil vom 02. März 1994 – XII ZR 175/92 -, Rn. 10; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 14. Aufl. 2019, BGB § 536 Rn. 78). Die hoheitlichen Maßnahmen dienten dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpften also nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an. Bezugspunkt sei der Betrieb des jeweiligen Mieters. Die Maßnahmen stellten dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten ab, sondern allgemein auf die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfinde und dies Infektionen begünstige (vgl. LG Heidelberg COVuR 2020, 541 Rn. 27; AG Bielefeld Urt. v. 20.10.2020 Az. 404 C 56/20; Sittner NJW 2020, 1169, 1171; Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185; Leo/Götz, Fälle und Lösungen zum Schicksal der Mietzahlungspflicht des Gewerberaummieters in COVID-19-Zeiten, NZM 2020, 402).
An dieser Einschätzung ändere sich auch nichts dadurch, dass die streitgegenständlichen Gewerberäume zur Nutzung als Ladenlokal vermietet wurden. Denn die Mietsache sei zu diesem Zweck weiterhin in gleicher Weise geeignet wie vor dem hoheitlichen Einschreiten. Untersagt sei lediglich dessen Betrieb und zwar losgelöst von Fragen der Beschaffenheit oder Lage der Mietsache. Dieser Umstand falle in den Risikobereich des Mieters.
Letztendlich haben sich die Gerichte auch gegen eine Befreiung der Leistungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entschieden. Nach dieser Vorschrift entfällt der Anspruch auf Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 BGB nicht zu leisten braucht. Nach Maßgabe des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB besteht die Hauptleistungspflicht des Vermieters darin, dem Mieter die Mietsache ein einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. In diesem Zusammenhang ist auch § 537 Abs. 1 S. 1 BGB zu beachten, wonach der Mieter von seiner Pflicht nach § 535 Abs. 2 BGB nicht dadurch befreit wird, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Gesetzgeber macht dadurch deutlich, dass der Vermieter lediglich die Gebrauchsmöglichkeit verschaffen muss. Das bloße Verwendungsrisiko einer Mietsache trägt hingegen der Mieter (AG Düsseldorf Urt. v. 10.11.2020 – 45 C 245/20).
Urteile zur Mietminderung wegen Corona:
Gegen eine Mietminderung wegen Corona u.a.:
- LG Heidelberg Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20;
- LG Zweibrücken Urteil vom 11.09.2020, HK O 17/20;
- LG München II Urteil vom 22.09.2020, 13 O 1657/20;
- LG Frankfurt Urteil vom 02.10.2020, 2-15 O 23/20;
- LG München II Urteil vom 06.10.2020, 13 O 2044/20;
- LG Wiesbaden Urteil vom 05.11.2020, 9 O 852/20;
- LG Stuttgart Urteil vom 19.11.2020, 11 O 215/20;
- LG Lüneburg Urteil vom 17.11.2020, 5 O 158/20.
- OLG Karlsruhe: Urt. v. 24.02.2021, 7 U 109/20
Für einen Anspruch auf Mietminderung / Mietanpassung u.a.:
- LG München I Urteil vom 22.09.2020, 3 O 4495/20: Mietminderung gestaffelt nach Beeinträchtigung; 80 % bei vollständiger Schließung ohne Einnahmen, 50 % bei Teilöffnung und 15 % bei Öffnung mit Abstandsgebot.
- LG München I Urteil vom 05.10.2020, 34 O 6013/20: 50 % Reduzierung/Anpassung.
- LG Mönchengladbach Urteil vom 02.11.2020, 12 O 154/20: 50 % Reduzierung/Anpassung.
- LG Kempten Urteil vom 07.12.2020, 23 O 753/20: 50 % Minderung
- OLG Dresden: Urt. v. 24.02.2021, 5 U 1782/20
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