Kündigung eines Wohnungsmietverhältnisses, konkludente Kündigung durch Klageeinreichung
In einem Rechtsstreit über rückständige Miete und Räumung von Wohnraum hat das Landgericht Essen in zweiter Instanz über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung sowie die Frage einer konkludenten Kündigung durch Einreichung einer Räumungsklage zu entscheiden gehabt.
Die Parteien verbindet der Mietvertrag vom 12.04.2010, mit dem die Klägerin dem Beklagten eine Wohnung im Erdgeschoss ihres Hauses vermietete. Das Mietverhältnis begann am 01.05.2010. Die monatliche Miete betrug 450,00 € zuzüglich 150,00 € Betriebskostenvorauszahlungen. Es war eine Mietsicherheit von 900,00 € vereinbart.
Die Klägerin hat behauptet, auf die Kaution habe der Beklagte lediglich 300,00 € und auf die Mieten November 2010 bis Mai 2011 jeweils 100,00 € zu wenig gezahlt. Deshalb habe sie ihm mit Schreiben vom 23.05.2011 fristlos, hilfsweise fristgemäß kündigen lassen. Da der Beklagte in den Folgemonaten die Miete vollständig überwiesen habe, habe sie die Kündigung wieder zurückgenommen.
Die Klägerin hat weiter behauptet, für September 2011 habe der Beklagte lediglich 480,00 € gezahlt und für Oktober 2011 gar keine Miete gezahlt. Von November 2011 bis Februar 2012 habe der Beklagte wiederum nur jeweils 480,00 € und im März 2012 gar keine Miete bezahlt. Von April bis August 2012 seien nur jeweils 480,00 € gezahlt worden. Zusammen ergebe sich somit unter Hinzurechnung des Restbetrages aus der ausstehenden Kaution und einer nicht bezahlten Betriebskostennachforderung für 2010 von 9,68 € ein Gesamtrückstand von 3.709,68 €. Davon seien die Mieten November 2010 bis Januar 2012 sowie die rückständige Kaution bereits tituliert.
Mit dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin rückständige Miete für Februar 2012 und April bis Juli 2012 in Höhe von 600,00 € geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 02.04.2012 hat die Klägerin dem Beklagten erneut das Mietverhältnis fristlos gekündigt und hat – darauf gestützt – Räumungsklage erhoben.
Der Beklagte hat bestritten, die Kündigungen vom 23.05.2011 und 02.04.2012 erhalten zu haben. Außerdem seien die Kündigungen – wenn sie zugegangen wären – unwirksam, weil sie nicht von der Klägerin, sondern von einer Firma D. Hausverwaltung ausgesprochen worden seien, die keine Vollmacht gehabt habe.
Dazu hat die Klägerin repliziert, bei der genannten Firma handele es sich um ihre Hausverwaltung. Gleichzeitig hat sie eine entsprechende Vollmacht vom 23.05.2011 vorgeleg
Darüber hinaus hat der Beklagte Mängel gerügt, die die Klägerin bestritten hat. Zum Beweise dafür und die Behauptung, diese Mängel auch gegenüber der Klägerin gerügt zu haben, hat er seine eigene Parteivernehmung angeboten.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 535 Abs. 2 BGB, da der Beklagte unstreitig mit dem geltend gemachten Betrag in Rückstand sei. Sein Vortrag zu Mängeln sei unsubstantiiert und nicht unter Beweis gestellt. Wegen Zahlungsverzuges sei auch die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Dass die Hausverwaltung zur Kündigung berechtigt gewesen sei, ergebe sich aus der vorgelegten Vollmacht. Es könne im Übrigen dahinstehen, ob dem Beklagten die Kündigungen vom 23.05.2011 und 02.04.2012 zugegangen seien, da spätestens in der Klageschrift eine erneute fristlose Kündigung liege.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
B. Entscheidung
(konkludente Kündigung)
I.
Die gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthafte und gemäß §§ 511 Abs. 2, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung im erkannten Umfang.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf rückständige Miete gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Der Zahlungsanspruch ist nach Grund und rechnerischer Höhe unstreitig.
em Beklagten steht kein Minderungsanspruch gemäß § 536 Abs. 1 BGB wegen Mängel der Mietsache zu. Es kann dahinstehen, ob der diesbezügliche Sachvortrag, insbesondere zur Mängelanzeige ausreichend ist und ob überhaupt minderungswürdige Mängel dargelegt sind. Denn der Sachvortrag ist von der Klägerin bestritten und vom Beklagten nicht ordnungsgemäß unter Beweis gestellt worden.
Eine Parteivernehmung gemäß § 477 ZPO kommt nur in Betracht, wenn die andere Partei damit einverstanden ist. Ein Einverständnis der Klägerin liegt nicht vor und ist auch nicht zu erwarten.
Für eine Parteivernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO gibt es keine genügenden Anknüpfungstatsachen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
2. Dagegen besteht kein Räumungs- und Herausgabeanspruch gemäß §§ 546 Abs. 1, 985 BGB. Er setzt die Beendigung des Mietverhältnisses voraus, da dann auch kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 Abs. 1 S. 1 BGB mehr besteht. Die Klägerin stützt ihren Anspruch insoweit auf die fristlose Kündigung vom 02.04.2012, die jedoch unwirksam ist. Auf den streitigen Zugang dieser Kündigung kommt es im Ergebnis schon deshalb nicht an, weil der Zugang der Kündigung – anders als bei der Kündigung vom 23.05.2011 nicht unter Beweis gestellt worden ist.
Auf den Zugang der Kündigung kommt es aber auch deshalb nicht an, weil gemäß § 569 Abs. 4 BGB in dem Kündigungsschreiben der zur Kündigung führende wichtige Grund anzugeben ist. Dies gilt auch für Kündigungen nach § 543 Abs. 1 und 2 BGB (Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht 11. Auflage (2013), § 569 BGB m.w.N.). Im vorliegenden Fall wird die Kündigung auf Zahlungsverzug i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB gestützt. Eine solche Begründung lässt sich dem streitgegenständlichen Kündigungsschreiben vom 02.04.2012 nicht entnehmen. Das Kündigungsschreiben enthält überhaupt keine Begründung für die fristlose Kündigung. Das hat zur Folge, dass eine fristlose Kündigung bei Wohnraummietverhältnisses unwirksam ist, wenn die Gründe der Kündigung entweder gar nicht – wie hier – oder nur unvollständig angegeben werden (Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht 11. Auflage (2013), § 569 BGB Rdn. 82).
Entgegen der Ansicht des Amtsgericht ist der Klageschrift keine Kündigungserklärung zu entnehmen.
Zwar kann die Kündigung auch in der Klageschrift oder einem sonstigen Schriftsatz an das Gericht erklärt werden. In der Erhebung der Klage liegt aber für sich allein keine (konkludent) erklärte Kündigung. Ebenso wenig reicht es aus, wenn in Schriftsätzen an das Gericht der Räumungsanspruch begründet oder erläutert wird oder wenn dort neue Kündigungsgründe geltend gemacht werden. Vielmehr ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu fordern, dass in dem Schriftsatz eine Erklärung enthalten ist, die der Empfänger unzweifelhaft als materiell-rechtliche Kündigungserklärung verstehen kann. Das wäre der Fall, wenn die Partei deutlich zum Ausdruck brächte, die Prozesshandlung solle nicht lediglich Durchsetzung einer bereits außerprozessual erklärten Kündigung dienen. (BGH Urteil v. 06.11.1996-XII ZR 60/95- [NJW-RR 1997, 203 f.] m.w.N.; BayObLG Rechtsentscheid v. 14.07.1981 –Allg. Reg 32/81- NJW 1981, 2197 ff.]; Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht 11. Auflage (2013), § 542 BGB Rdn. 19 m.w.N.).
Auf einen solchen Willen des Vermieters kann, wenn – wie hier – bereits vorprozessual gekündigt worden ist, in der Regel nur dann geschlossen werden, wenn er sich bei der Klageerhebung oder einer weiteren prozessualen Erklärung für seinen Räumungsanspruch auf neue Kündigungsgründe oder auf andere Umstände stützt, die die erneute Kündigung für den Fall, dass die erste Kündigung unwirksam gewesen sein sollte, von seinem Standpunkt aus, als aussichtsreich erscheinen lassen. (BGH Urteil v. 09.07.2003 –VIII ZR 26/03- [NJW 2003, 3265 ff.]).
Die vorliegende Klageschrift nimmt ausdrücklich Bezug auf die vorprozessual erklärte Kündigung vom 02.04.2012, ohne erkennen zu lassen, dass sie darüber hinaus noch eine weitere Kündigungserklärung enthalten soll. Diesbezüglich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin keine solchen Erklärungen namens und in Vollmacht der Klägerin abgegeben. (LG Berlin Urteil v. 16.05.1995 -64 S 403/97- [ZMR 1995, 354 ff.]; LG Osnabrück Urteil v. 21.12.1990 -11 S 421/90- [WuM 1991, 690]).
(…)
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