Das AG Köln hat sich mit der Problematik eines überlappenden, überschneidenden Vorschadens bei einem PKW und der damit verbundenen Darlegungs- und Beweislast in einem Gerichtsurteil befasst.
Tatbestand überlappender Vorschaden:
Die Klägerin ist Leasingnehmerin des Fahrzeuges VW. Die Beklagte zu 1) ist die Haftpflichtversicherung des Pkw SEAT, dessen Halter der Beklagte zu 3) ist. Am 14.06.2019 war das von der Klägerin geleaste Fahrzeug an einem Verkehrsunfall beteiligt, bei dem die Spitze der rechten Beifahrertür nach außen gebogen und die Tür verkratzt wurde. Am 1.09.2019 befuhr der Zeuge P mit dem von der Klägerin geleasten Fahrzeug den Ehrefeldgürtel auf dem linken der beiden Fahrstreifen in Fahrtrichtung Süden. Der Beklagte zu 2) befuhr den rechten Fahrstreifen etwas hinter dem Zeugen P. Ca. 30 m hinter der Lichtzeichenanlage auf der Kreuzung zur Bartholomäus-Schink-Straße kollidierten die beiden Fahrzeuge dergestalt miteinander, dass das von dem Zeugen P befahrene Fahrzeug mittig rechts und das Beklagtenfahrzeug vorne links beschädigt wurden. Die Klägerin ließ das Fahrzeug reparieren. Mit Schreiben vom 11.10.2019 machte die anwaltlich vertretene Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) Reparaturkosten gemäß Gutachten von 2.023,30 € netto, eine Wertminderung von 100,00 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 463,50 €, Nutzungsausfall von 90,00 € und eine Kostenpauschale von 25,00 €, insgesamt 2.701,80 € geltend und forderte diese vergeblich zur Zahlung bis zum 22.10.2019 auf. Mit der Klage begehrt sie Zahlung von 50 % dieses Betrages.
Die Klägerin behauptet, der am 14.06.2019 entstandene Schaden sei in einer Kfz- Werkstatt repariert worden. Der Beklagte zu 2) sei gegen das von der Klägerin geleaste Fahrzeug gestoßen, welches in seiner Fahrspur geblieben sei.
Ursprünglich hat die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 1. 1.350,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2019 zu zahlen. 2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, sie von den außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 89,70€ freizustellen.
Mit Schriftsatz vom 24.07.2020, eingegangen bei Gericht am 27.07.2020 und zugestellt am 13.08.2020 hat die Klägerin die Klageanträge umgestellt und beantragt nunmehr,
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 57,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2019 zu zahlen.
2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, sie von der Zahlung in Höhe von 1.061,65€ zugunsten der V Bank freizustellen.
3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, sie von der Zahlung der Sachverständigenkosten in Höhe von 231,75€ zugunsten des Kfz-Sachverständigen freizustellen.
4. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, sie von den außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 89,70€ freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass die Vorschäden fachgerecht repariert wurden und die geltend gemachten Schäden gänzlich auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen sind. Sie behaupten, der Zeuge P sei auf die von dem Beklagten zu 2) befahrene Fahrspur geraten und habe dadurch die Kollision verursacht.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen P und S und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen im Parallelverfahren, welches mit dem vorliegenden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Beweisaufnahme verbunden wurde. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Sitzungsniederschriften und Gutachten verwiesen.
Die Bußgeldakte der Stadt Köln hat das Gericht zu Informations- und Beweiszwecken beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagten unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 7, 18 StVG, 115 VVG. Denn die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass und in welchem Umfang ihr ein Schaden durch den streitgegenständlichen Unfall entstanden ist. Es ist unklar und auch nicht weiter aufklärbar, ob ein Schaden und wenn ja, welcher Schaden durch das Beklagtenfahrzeug verursacht wurde.
Darlegungs- und Beweispflicht
Der behauptete Schaden vom 1.09.2019 weist eine Überdeckung mit einem Vorschaden vom 14.06.2019 auf, bei dem das Klägerfahrzeug ebenfalls an der Beifahrertür beschädigt wurde. Wenn aber ein verunfalltes Fahrzeug Vorschäden im Schadensbereich aufweist, muss der Geschädigte spezifiziert darlegen, welche Reparaturmaßnahmen zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und in welcher Weise Vorschäden fachgerecht repariert worden sind. Bei der Teilüberdeckung zwischen dem Vorschaden und dem Unfallschaden mit ähnlichem Schadensbild obliegt es dem Geschädigten bei bestrittener Schadenshöhe, substantiiert den Verlauf des zu dem Vorschaden führenden Unfalls und die hierdurch eingetretenen Schäden konkret und im Einzelnen benennen, insbesondere auch den Reparaturweg und -umfang des vorbeschädigten Fahrzeuges darzulegen, wobei in einem solchen Fall eine Bezugnahme auf eine privatgutachterlich erstellte Schadenskalkulation nicht ausreichend ist (vgl. LG Berlin, VersR 2005, 995; HansOLG., Urteil vom 21.05.2003, 14 U 222/02; OLG Hamm, Urteil vom 14.09.1999,34 U 26/99; OLG Köln, VersR 1999, 865). Der Hinweis auf das äußere Erscheinungsbild oder die substanzlosen Behauptungen, Vorschäden seien fachgerecht behoben und/oder die erforderlichen Arbeiten seien durchgeführt worden, ersetzen regelmäßig nicht die Darlegung des konkreten Reparaturweges. Der konkrete Reparaturweg — auf den auch ein Sachverständiger nur Schlüsse aus dem äußeren Erscheinungsbild und genauere Erkenntnisse im Regelfall erst nach Demontage ziehen könnte — ist nicht erst durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder Befragung von Zeugen im Prozess zu ermitteln, weil dies einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellt. Aufgabe eines Sachverständigengutachtens ist es zudem nicht, dem Anspruchsteller den notwendigen Sachvortrag zu ersparen, sondern die Bewertung der — gegebenenfalls durch Zeugen oder Urkunden bewiesenen — konkreten Reparaturmaßnahmen. Dem genügt die Klägerin nicht. Sie hat pauschal behauptet, der Vorschaden sei repariert worden. Sie hätte substanziiert zur Reparatur vortragen müssen, insbesondere durch Vorlage einer Reparaturrechnung, die den Reparaturweg erkennen lässt, oder durch Einreichung einer Liste, die die angeschafften und verwendeten Ersatzteile aufweist, bevor ihrem Beweisantritt nachgegangen werden kann. Beides hat sie nicht getan.
Beweislast; Schadensbemessung ZPO
Das Gericht ist schließlich auch nicht in der Lage, die Höhe der Reparaturkosten gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Denn selbst wenn man davon ausgehen würde, dass gewisse Schäden tatsächlich entstanden sind, so könnte nicht festgestellt werden, in welchem Umfang und in welcher Höhe. Dafür fehlt es an Anknüpfungstatsachen. § 287 Abs. 1 ZPO mag die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Umfangs und der Höhe des Schadens erleichtern, was aber keineswegs zu einem Verzicht auf die Darlegung der für die Ausübung des Ermessens bzw. die Schätzung erforderlichen
Anknüpfungstatsachen führt. Diese sind vielmehr vom Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen (KG Berlin, Urteil vom 27.08.2015, 22 U 152/14). Hier fehlt es jedoch bereits mangels Ausführungen zur Art und Umfang der Reparatur der Vorschäden im erneut beschädigten Bereich an einer hinreichenden Darlegung ausreichend greifbarer Anhaltspunkte, die eine gesicherte Grundlage für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Schadensumfangs bieten.
Mangels Schadensnachweises besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der Pauschale und Nebenforderungen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 1.350,00 €
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