Urteil zum Thema außerordentliche Kündigung während Corona, Fitnessstudio:
Mit Urteil vom 17.06.2021, Az. 29 C 3243/20 (97), kam das Amtsgericht Frankfurt am Main zum Entschluss, dass ein Fitnessstudiovertrag im Rahmen einer „Zufriedenheitsgarantie“ nicht aufgrund des Lockdowns außerordentlich gekündigt werden kann.
Tatbestand, Fitnessstudiovertrag:
Die Parteien streiten um den Bestand eines Fitnessstudiovertrags.
Die Klägerin suchte im März 2020 zusammen mit ihren Schwestern, der Zeugin T und C ein Studio der Beklagten in Köln auf. Dort sprachen sie mit einem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen E über die Vertragskonditionen. Die Klägerin und ihre Schwestern betonten bei den Gesprächen, dass sie das Studio vor Abschluss des Jahresvertrags zunächst testen wollten. Noch im März 2020 unterschrieb die Klägerin sodann einen Fitnessstudio-Jahresvertrag mit Laufzeitbeginn zum April 2021 und einem monatlichen Beitrag in Höhe von 94,00 €. Der Vertrag enthielt eine „Zufriedenheitsgarantie“, die ein Sonderkündigungsrecht innerhalb von vier Wochen nach Beginn der Mitgliedschaft statuiert, sofern das Mitglied in dieser Zeit nachweislich acht Trainings im Studio der Beklagten absolviert.
Die Klägerin trainierte innerhalb des ersten Monats nach der Kündigung nicht achtmal.
Am 09.04.2020 kündigte die Klägerin den Vertrag. Ein Mitarbeiter der Beklagten bestätigte ihr daraufhin die Kündigung zum 09.04.2021. Auf Beschwerde der Klägerin, dass sie wegen des Lockdowns nicht trainieren könne, teilte ihr ein Mitarbeiter der Beklagten mit, dass die für das Sonderkündigungsrecht benötigten acht Trainingstage innerhalb des ersten Trainingsmonats erst ab der Wiedereröffnung des Fitnessstudios zu absolvieren seien.
Unter dem 13.08.2020 forderte der Rechtsanwalt der Klägerin die Beklagte zur Bestätigung des Nichtbestehens des Vertragsverhältnisses sowie zur Rückzahlung der gezahlten Beträge auf.
Die Klägerin behauptet, sie habe bei Vertragsabschluss festgelegt, dass das Studio für einen Monat getestet werden könnte und innerhalb dieses Monats, d.h. bis zum 09.04.2020 bei Nichtgefallen ohne weitere Bedingungen eine sofortige Kündigung möglich sei. Die Folge einer solchen Kündigung sei nach der Absprache gewesen, dass der Jahresvertrag nicht in Kraft treten würde. Die Klägerin behauptet, sie sei bei Vertragsschluss arglistig getäuscht worden, da ihr mitgeteilt worden sei, dass der Vertrag innerhalb eines Monats ohne weitere Voraussetzungen beendet werden könnte.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Vorliegend hat die Klägerin ein Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit, um möglichen Zahlungsansprüchen der Beklagten aus dem Vertrag entgegen zu wirken. Zwar hat die Klägerin bisher keine Beiträge an die Beklagte gezahlt. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Beiträge noch gefordert werden.
Die Klage ist aber nicht begründet. Der Fitnessstudiovertrag ist nicht ex tunc durch Anfechtung erloschen, er ist auch nicht wirksam außerordentlich gekündigt worden.
Der Fitnessstudiovertrag ist nicht vorzeitig beendet worden.
Vorzeitige Beendigung, Fitnessstudiovertrag:
Der Fitnessstudiovertrag ist nicht durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch den Mitarbeiter der Beklagten, den Zeugen E, ex tunc erloschen, § 123 Abs. 1 BGB. Es kann dabei dahinstehen, ob der Zeuge E als Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Es lag bereits keine arglistige Täuschung der Klägerin vor.
Definition arglistische Täuschung:
Eine arglistige Täuschung liegt vor bei einem bewussten, d.h. vorsätzlichen Erregen- oder Aufrechterhaltenwollen eines Irrtums durch Vorspiegeln falscher oder Unterdrücken wahrer Tatsachen (vgl. Jauernig, BGB, § 123, Rn. 3, 7).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das erkennende Gericht der Überzeugung, dass keine arglistige Täuschung der Klägerin erfolgt ist. Der Klägerin steht somit auch kein Anfechtungsrecht zu. Das Gericht ist der Überzeugung, dass die Klägerin über die Bedingungen unter denen das Sonderkündigungsrecht ausgeübt werden konnte bei Vertragsschluss informiert war.
Vorliegend behauptet die Klägerin, der Zeuge E habe sie nicht darauf hingewiesen, dass das Sonderkündigungsrecht an das achtmalige Training geknüpft sei. Hierin liegt die Behauptung eines arglistigen Verschweigens, bei dem es dem Anfechtungsgegner obliegt, Zeit und Form der Aufklärung darzulegen und sodann dem Anfechtenden, diese Behauptungen zu widerlegen (vgl. MüKo zum BGB, § 123 Rn. 94). Die Widerlegung der von der Beklagten dargelegten Aufklärung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist der Klägerin nicht gelungen. Die Beklagte hat in Form des Zeugen E dargelegt, wie die Aufklärung über die sogenannte „Zufriedenheitsgarantie“ erfolgt ist. Dabei hat der Zeuge E in Anbetracht dessen, dass es sich für ihn bei Vertragsabschlüssen mit Kunden um ein Alltagsgeschäfte handelt, in einem angemessenen Detailreichtum von den Verhandlungen berichtet, er hat auch Erinnerungslücken zugegeben, was die Aushändigung eines Merkblatts zur Zufriedenheitsgarantie betrifft.
Die Widerlegung dieser Aussage durch Vernehmung der Zeugin T ist nicht erfolgreich gelungen. Die Zeugin T sagte aus, bereits bei Vertragsschluss auf die Notwendigkeit, Trainings zu absolvieren, um ein Sonderkündigungsrecht zu haben, hingewiesen worden zu sein. Sie schilderte hierzu, dass ihr und ihren Schwestern diese Bedingung nichts ausgemacht habe, da sie ohnehin trainieren wollten. Die Zeugin T schilderte lebhaft und detailreich von der Suche nach einem Fitnessstudio, das sie mit ihren Schwestern besuchen könne. Sie bezog dabei auch subjektive Vorstellungen und für die Beweisfrage wenig relevante Nebendetails ein, die von einem eigenen Erleben zeugen. Weiterhin ist sie auch insofern glaubwürdig, als dass sie in einem gleich gelagerten Fall ebenfalls einen Prozess vor dem Amtsgericht Frankfurt führt und dennoch in einer für die Klägerin und sie nachteiligen Weise die Behauptungen der Klägerin widerlegt. Die Zeugin T berichtete zudem als unmittelbare Zeugin, da sie den Vertragsverhandlungen zwischen dem Zeugen E und der Klägerin als weitere potentielle Kundin beigewohnt hat.
Außerordentliche Kündigung, Fitnessstudiovertrag:
Der Fitnessstudiovertrag ist auch nicht durch außerordentliche Kündigung vorzeitig beendet worden.
Die Prüfung der sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung erfolgt wegen einer Auslegung des klägerischen Antrags nach dem mutmaßlichen Parteiwillen. Zwar ist der von der Klägerin gestellte Antrag insoweit eindeutig, als sie ausdrücklich die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags ex tunc begehrt und somit die Feststellung der erfolgreichen Anfechtung. Allerdings ist bei der Auslegung der Anträge nicht nur der reine Wortlaut, sondern auch der von der Klägerin dargestellte Sachverhalt einzubeziehen (vgl. MusielakNoit, § 308 ZPO, Rn. 3). Insofern entspricht es dem sich aus der Klageschrift und den Einlassungen in der mündlichen Verhandlung ergebenden Willen der Klägerin die Beendigung des Vertragsverhältnisses zum jetzigen Zeitpunkt im Ganzen geprüft zu wissen. Die Prüfung der Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung überschreitet auch nicht die durch den Klageantrag gezogenen quantitativen Grenzen. Eine Kündigung mit ihrer ex nunc Wirkung ist somit gegenüber der ex tunc wirkenden Anfechtung das „mildere Mittel“ zur Vertragsbeendigung.
Ein Fitnessstudiovertrag ist, wenn wie im vorliegenden Fall auch Kurse angeboten werden, ein typengemischter Vertrag aus miet- und dienstvertraglichen Elementen. Als Dauerschuldverhältnis bedarf es zur Beendigung des Vertragsverhältnisses einer Kündigung, § 620 BGB. Vorliegend war der Vertrag mit einer Mindestlaufzeit von 12 Monaten abgeschlossen, so dass die Kündigung erst danach erfolgen konnte, es sei denn, dass die Kündigung aufgrund des Sonderkündigungsrechts erfolgte. Eine Kündigung aufgrund des Sonderkündigungsrechts war allerdings nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht möglich, da die hierzu vereinbarten Bedingungen nicht vorlagen. Dabei ist es insofern durchaus mit dem Verbraucherschutz zu vereinbaren, die Kündigung von einer Mitwirkungshandlung der Klägerin abhängig zu machen. Das Angebot, nach einem Monat kündigen zu können, ist insofern ein Entgegenkommen der Beklagten, das über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht.
Das Vertragsverhältnis ist auch nicht durch eine außerordentliche Kündigung beendet worden. Es entspricht zwar dem von Rechtsprechung und Lehre entwickelten allgemeinen Grundsatz, dass den Vertragsparteien eines Dauerschuldverhältnisses ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zusteht (vgl. Urteil des BGH vom 04.05.2016, Az. XII ZR 62/15). Dabei liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses dann vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann, vgl. § 314 Abs. 1 BGB.
Ein solch wichtiger Grund i.S.d. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB lag aber vorliegend nicht vor. Die Fortsetzung des Fitnessstudiovertrags bis zum Beendigungszeitpunkt am 09.04.2021 war der Klägerin zuzumuten, denn sie wurde durch die Schließung des Fitnessstudios nicht belastet. Die Beklagte musste das streitgegenständliche Fitnessstudio aufgrund der Regelungen zum Umgang mit Covid-19 schließen, sodass die Leistungserbringung gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen war. Diese Unmöglichkeit gilt für die Beklagte ebenso wie für alle anderen Anbieter von Fitnessstudioleistungen im Regelungsbereich der Covid-19-Verordnungen. Dabei konnte die Beklagte die versprochenen Leistungen für den Zeitraum der Schließung auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Ein Fitnessstudio dient der regelmäßigen sportlichen Ertüchtigung (vgl. LG Freiburg, Urteil vom 27.04.2021, Az. 9 S 41/20). Die Klägerin wurde mithin für den Zeitraum der behördlichen Schließung ebenfalls von der Leistung frei, § 326 Abs. 1 BGB.
Zwar kann die Unmöglichkeit der Leistungserbringung nach der Wertung des § 326 Abs. 5 BGB grundsätzlich die außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dies ist aber insbesondere dann der Fall, wenn die Unmöglichkeit durch einen Umstand aus der Risikosphäre des Schuldner der unmöglichen Leistung verursacht wurde.
Anders ist die Lage bei einer weltweiten Pandemie wie Covid-19. Die Pandemiesituation ist keiner der beiden Parteien eher zuzurechnen, es besteht auch kein überwiegendes Interesse der Klägerin an einer Kündigung des Fitnessstudiovertrags. Die Klägerin muss während des Leistungsausfalls keine Beiträge zahlen und der Vertrag ist bereits fristgerecht zum 19.04.2019 gekündigt worden. Der Klägerin erwuchs somit durch das Festhalten am Vertrag kein Risiko. Sie konnte entweder, wie ursprünglich geplant, die Leistungen des Studios nach Wiedereröffnung für den verbleibenden Vertragszeitraum nutzen oder ihr entstanden, bei fortgesetzter Schließung, keine Kosten. Die Klägerin hätte die erwarteten Leistungen auch von keinem anderen Vertragspartner erhalten können, da alle Fitnessstudios gleichermaßen betroffen waren. Sie hatte daher auch kein Interesse an der Kündigung, um entsprechend einen neuen Vertrag schließen zu können. Die Beklagte hingegen hatte ein Interesse am Festhalten an dem Vertrag, denn für sie ist das Fortlaufenlassen der bestehenden Verträge bei Stundung der Beiträge die einzige Möglichkeit, den Mitgliederbestand während der unverschuldeten Schließung aufrecht zu erhalten. Andernfalls müsste die Beklagte nach Erlaubnis der Wiedereröffnung erst wieder neue Mitglieder werben (vgl. hierzu im Ergebnis genauso LG Freiburg, Urteil vom 27.04.2021 , Az. 9 S 41/20, AG Torgau, Urteil vom 20.08.2020, Az. 2 C 382/19).
Das Vertragsverhältnis ist auch nicht nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß S 313 BGB beendet worden. Die Vorschriften des § 313 BGB sind subsidiär (vgl. MüKo zum BGB, § 313 Rn. 52). Weiterhin würde aber auch die Prüfung des § 313 BGB nicht zu einer anderen Bewertung der Zumutbarkeit führen.
Die Nebenforderung folgt der Hauptforderung. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
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