Ausschluss der Unternehmerhaftung
– Arbeitsunfall
Arbeitsunfall, § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, Ausschluss der Unternehmerhaftung, doppelter Vorsatz, Berufsgenossenschaft
Mit Urteil vom 25. August 2015 hat das Arbeitsgericht Köln – Az. 12 Ca 9961 / 14 über die Frage zu entscheiden gehabt, ob hinsichtlich der Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz bezogen auf eine Verletzung eines Arbeitnehmers während der Verrichtung seiner Arbeit (Arbeitsunfalls) vorgelegen hat.
Die Klage wurde abgewiesen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger dem Beklagten Unternehmer keinen Vorsatz bezogen auf die billigende Inkaufnahme eines Arbeitsunfalls sowie den Eintritt des Schadens nachweisen konnte.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld hinsichtlich der Schäden zu zahlen, die dieser aufgrund eines Arbeitsunfalls Anfang 2011 erlitten hat.
Der Kläger ist Künstler. Er unterhält auf dem von dem Beklagten betriebenen Bauernhof ein Atelier mit Wohnung. Er stellte u.a Skulpturen aus Holz her und besitzt eine Schutzausrüstung. Der Beklagte betreibt auf dem Hof einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem Festangestellten und gelegentlich eingesetzten Aushilfskräften. In Form einer GbR mit der Bezeichnung E. u. H. verarbeiten die beiden Beklagten Holz. Die GbR selbst beschäftigt keine Arbeitnehmer. In Zeiten, in denen keine landwirtschaftlichen Arbeiten anfallen, verrichten die Mitarbeiter des Landwirtschaftsbetreibes Holzspaltarbeiten für die Beklagten (GbR).
Der Beklagte bot dem Kläger im Januar 2011 an, ihn als Aushilfe im landwirtschaftlichen Betrieb auf Basis einens Minijobbers zu beschäftigen und meldete ihn bei der zuständigen gesetzlichen Unfallversicherung an. Der Kläger hatte bereits mehrere Tage hintereinander die nachfolgend beschriebenen Holzspaltarbeiten durchgeführt, bevor es zu dem Unfall gekommen war.
Holzspaltarbeiten werden wie folgt ausgeführt: Ein Mitarbeiter legt mittels Greifarm einen Holzstamm auf die Holtzspaltmaschine. Aufgabe eines weitern Mitarbeiters ist es dann, den auf der Holzspaltmaschine befindlichen Hydraulikstempel mittels einer von ihm bedienten Fernsteuerung einzuschalten, so dass Holz durch den Hydraulikstempel in Richtung des Holzspalters geschoben wird. Durch den Hydraulikstempel wird der Holzstamm gegen das feststehende Spaltmesser gedrückt. Wenn ein Holzstamm nicht gerade auf den Spalter zuläuft, hat der weitere Mitarbeiter mittels einer Eisenstange seitlich gegen den Baumstamm zu drücken, um den Lauf des Stammes zu korrigieren.
Am Unfalltag kam es während der Tätigkeit des Klägers im Hofbereich an der dort vorhandenen Holzspaltmaschine zu einem Unfall, bei dem der linke Arm des Klägers in das Hydraulikholzgerät geriet. Das Holtzspaltgerät war mit einer Fernbedienung ausgerüstet durch die es in Bewegung gesetzt wurde. Die Fernbedienung hatte eine sog. Todmannschaltung, d.h. die Bewegung wurde sobald der Knopf der Fernbedienung losgelassen wurde, sofort gestoppt. Die Bedienknöpfe für Stempel vor und zurück waren nicht gekennzeichnet; ein Schutz gegen unbeabsichtigtes Bedienen bestand nicht. Diese Fernbedienung, die zum Zeitpunkt des Unfalls im Besitz des Klägers war, wurde bei Ankauf des Holzspaltgeräts mitgeliefert.
Bei dem Unfall wurde die linke Hand abgetrennt, die nach mehreren operativen Eingriffen wieder angenäht wurde. Der Kläger befand sich mehrere Monate im Krankenhaus und ist weiterhin in ärztlicher Behandlung; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Klageschrift verwiesen. Er leidet weiterhin unter ständigen Schmerzen in der linken Hand und seit dem Unfall unter psychischen Problemen. Der Kläger wurde mit einem Grad von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Von der Berufsgenossenschaft erhält er eine monatliche Rente von 837,51 Euro.
Die Bezirksregierung gab eine Stellungsnahme zum Unfall ab. Hierbei wurde festgestellt, dass der Beklagte den Grundpflichten eines Kleinbetriebes gem. § 3 Abs. 1 und 2 ArbSchG nachgekommen war; die letzte Betriebsprüfung erfolgte Anfang 2011. Auch die Gefährdungsbeurteilung gem §§ 5,6 ArbSchG erfolgte. Laut Aussage des Beklagten und seines festangestellten Mitarbeiter sei auch die Unterweisung nach § 12 Abs. 1 ArbSvhG erfolgt. Die Funksteuerung im Allgemeinen und der mangelhafte Handsender im Speziellen hätten allerdings nicht den Mindestvorschriften für Arbeitsmittel gem § 4 BetrSichV entsprochen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass Hauptunfallursache eine mangelhafte Maschine sei. Die Bezirksregierung hielt dabei auch fest, dass der Arm des Klägers zunächts nur leicht eingeklemmt gewesen sei. Bei dem Versuch, den Druckstempel wieder zurückzufahren, habe er versehentlich den Knopf zur Vorwärtsbewegung gedrückt.
Nach dem Unfallereignis erfolgte eine rückwirkende Aufnahme des holzverarbeitenden Betriebs als Nebenbetrieb bei der ladwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft erkannte den Unfall Ende 2012 als Arbeitsunfall iSd. § 8 SGB VII an; dieser Bescheid ist bestandskräftig.
Der Kläger behauptet, der Unfall sei von den Beklagten vorsätzlich verursacht worden, denn sie hätten seine Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen. U.a. sei das Spaltgerät nicht ordnungsgemäß gesichert gewesen, der Arbeitsbereich zum Unfallszeitpunkt unsicher und zu eng, Schutzkleidung sei nicht zur Verfügung gestellt worden und seine notärztliche Versorgung nicht zufriedenstellend verlaufen. Er sei bei dem Versuch, sich vor einem von dem Zeugen B. mittels Kran geschwenktem Baumstamm zu ducken, gestolpert und dabei mit dem linken Arm in die Spaltmaschine geraten. Da er sich nicht habe befreien können, habe er mittels Fernbedienung den Stempel auf dem Schlitten zurückgefahren, so dass er seinen festgeklemmten Armstupf habe befreien können, während die abgetrennte Hand zu Boden gefallen sei. Die Haftungsprivilegierung komme nicht zum Tragen, da die GbR nicht bei der Berufsgenossenschaft angemeldet gewesen sei; zudem sei die Vorschrift verfassungswidrig. Die Betriebsmittel der GbR seien von der BG nie geprüft worden, weil der Beklagte die Kosten gescheut habe. Er habe sich nach dem Unfall nicht um ihn gekümmert, sondern nur versucht, sein Aussageverhalten zu beeinflussen.
Der Kläger hat folgende Anträge gestellt:
- Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger ein vom Gericht festzusetzendes angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinzsatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger auch die ihm entstehenden zukünftigen immateriellen Schäden zu ersetzen habe.
- Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger für das Jahr 2011 Verdienstausfallschaden von 20.985,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagten dem Kläger auch den ihm entstanden Verdienstausfall für die Zeit ab dem 01.01.2012 zu ersetzen haben.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abgewiesen. Die Beklagte beruft sich auf die Schilderungen des Zeugen B., welchen auch den Feststellungen der Berufsgenossenschaft und den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden zugrunde liegen würden, wonach der Kläger unter Verstoß gegen die Arbeitsanweisungen offensichtlich versucht haben müsse, den Baumstamm ohne Eisenstange mit den Händen mittig vor das Schwert zu legen und dabei seine Hand selber in den Gefahrenbereich bewegt habe, wobei seine linke Hand zwischen Holzspalter und Holzstück geraten sei. Er habe dann – nach eigenem Vortrag – die Maschine selber mittels der Fernbedienung weiter bewegt, obwohl seine Hand bereits teilweise eingeklemmt gewesen sei. Der Kläger sei in die Arbeitsabläufe eingewiesen worden; jedenfalls habe die strikte Anweisung bestanden, nicht mit den Händen in das Arbeitsgerät zu greifen. Das Gerät sei mit der Funkbedienung erworben worden. Der vom Kläger geschilderte Unfallhergang sei technisch unmöglich, da die Maschine nur habe anlaufen können, wenn der Kläger sie mit der Funkbedienung gesteuert hat. Erste Hilfe sei geleistet worden; ein Versuch, die Aussage des Klägers zu manipulieren, werde bestritten.
Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsprotokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I. Die Beklagten haften dem Kläger nicht auf Schmerzensgeld gem. §§ 823, 847 BGB oder auf Ersatz von Schäden gem. $$ 823, 253 GB, da ihre Ersatzpflicht gem. § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen ist.
- Nach § 104 Abs. 1 SGB VII sind Unternehmer den gesetzlich Unfallversicherten die für ihr Unternehmen tätig sind, zum Ersatz von Unfallversicherten, die für ihr Unternehmen tätig sind, zum Ersatz von Personenschäden nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1- 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Die Norm bezieht sich auf alle Haftungsgründe des bürgerlichen Rechts einschließlich der Gefährundungshaftung z.B. nach den Vorschriften des StVG (vgl. BAG, 19.08.2004 – 8 AZR 349/03 -, Juris).
- a.Den Unfall hat der Kläger bei einer versicherten Tätigkeit erlitten. Es handelte sich um einen Arbeitsunfall, der von dem Unfallversicherungsträger Ende 2012 anerkannt ist (§8 SGB VII).
- b.Der Ausschluss der Haftung entfällt lediglich im Falle einer vorsätzlichen Herbeiführung des Arbeitsunfalls durch den Unternehmer (§104 SGB VII). Jedenfalls für den Beklagten bestand die sich aus § 618 Abs. 1 BGB ergebende arbeitsvertragliche Verpflichtung, die unter seiner Anordnung vom Kläger vorzunehmenden Dienstleistung so zu regeln, dass dieser gegen Gefahren für Leben und Gesundheit so weit geschützt war als es die Natur der Dienstleistung gestattete (vgl. BAG 28.04.2011 – 8 AZR 769/09, Juris). Es bestehen aber keine berechtigten Anhaltspunkte für die Annahme des Klägers, die Beklagten hätten den Unfall und den Personenschaden billigend in Kauf genommen.
aa. Auch nach Inkrafttreten der §§ 104 ff. SGB VII gilt, dass die Haftungsbeschränkung des Unternehmens nur dann wegen Vorsatz entfällt, wenn der Schädiger den Arbeitsunfall gewollt oder für den Fall seines Eintritts gebilligt hat. Danach genügt es für das Entsperren des Haftungsausschlusschlusses nicht, dass ein bestimmtes Handeln, das für den Unfall ursächlich war, gewollt und gebilligt wurde, wenn der Unfall selbst nicht gewollt und nicht gebilligt wurde. Vorsatz in diesem Sinne ist das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs. Der Handelnde muss den Erfolg voraussehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Vorraussetzung für das Vorliegen von Vorsatz ist in Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit, dass es nicht nur erforderlich ist, den möglicherweise eintretende Erfolg zu sehen oder dass es dem Bertreffenden gleichgültig ist, ob ein derartiger Erfolg eintritt (,,… es wird schon nichts passieren“). Erforderlich im Sinne eines bedingten Vorsatzes ist vielmehr, dass der möglicherweise eintretende Erfolg in Gestalt des eingetretenen Personenschadens für den Fall seines Eintritts auch gebilligt, jedenfalls aber in Kauf genommen wird BAG 08.12.1970 – 1 AZR 81/70, AP Nr. 4 zu § 636 RVO; ErfK/Rolfs, SGB VII, § 104 Rn 12). Nicht notwendig muss der Erfolg auch gewünscht oder beabsichtigt werden. Der Vorsatz muss nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen. Der Versicherungsfall ist erst eingetreten, wenn die Verletzungshandlung auch zu einem Schaden, also zu einem Verletzungserfolg geführt hat. Zudem gebietet die gesetzliche Regelung, den Versicherungsschutz nur dann zu versagen, wenn die mit dem Unfallversicherungsschutz zusammenhängende Freistellung von der Haftung nicht mehr hinnehmbar erscheint (BAG 19.08.2004 – 8 AZR 439/03, Juris). Allein ein Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften indiziert kein vorsätzliches Verhalten. Es verbietet sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die vorsätzliche Pflichtverletzung eines Schädigers mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall iSd. § 104 SBG VII gleich zu behandeln. Dies folgt bereits aus dem verschiedenen Unrechtsgehalt. Derjenige, der vorsätzlich eine zu Gunsten des Arbeitsnehmers bestehender Schutzvorschrift missachtet, will demnach meistens nicht die Schädigung und den Arbeitsunfall des Arbeitsnehmers selbst, sondern er hofft, dass diesem kein Unfall widerfahren werde. Das Gewicht seines Rechtsverstoßes ist geringer als in dem anders gelagerten Fall, in dem jemand – mit oder ohne Pflichtverstoß – den Unfall eines anderen billigend in Kauf nimmt BAG 27.06.1975 – 3 AZR 457/74). Diese zur vorsätzlichen Herbeiführung eines Arbeitsunfalls im Sinne des außer Kraft getretenen § 636 Abs. 1 S. 1 RVO ergangene Rechtsprechung ist auf die vorsätzliche Herbeiführung eines Versicherungsfalles iSd. §§ 104 f. RVO entsprechend anzuwenden, weil sich soweit der Inhalt der gesetzlichen Regelung nicht verändert hat (BAG 19.02.2009 – 8 AZR 188/08, Juris). Die Ansicht, „schon die Gleichgültigkeit gegenüber einem nicht für unwahrscheinlich zu haltenden Erfolg“ genüge, einen bedingten Vorsatz zu bejahen, entspricht nicht der Rechtsprechung, die für die Annahme des Vorsatzes verlangt, dass der Schädiger – auch – den Eintritt des Unfalls gebilligt hat ( BAG 19.02.2009 – 8 AZR 188/08, Juris; BAG 20.10.2002 – 8 AZR 103/02, Juris; BGH 11.02.2003 – VI ZR 34/02, Juris).
bb. Der Unfallhergang ist zwar streitig. Die Version des Klägers beruht darauf, dass er auf ungesichertem Boden und zu engem Arbeitsraum gestolpert und dabei in die Spaltmaschine geraten sei, die sich sodann plötzlich bewegt habe. Auch wenn man diese Version als Unfallhergang zugunsten des Klägers unterstellte, so bleibt nach wie vor die Tatsache, dass sich die Spaltmaschine nur dadurch bewegt hat, dass der Kläger sie mittels der Fernbedienung gesteuert hat. Nach den Feststellungen der Bezirksregierung und der Berufsgenossenschaft zum Zustand der Maschine ist eine eigenständige Bewegung der Spaltmaschine ohne Bedienens der Fernbedienung nicht möglich. Der Kläger war unstreitig nicht angewiesen, verklemmte Baumstämme mit der Hand zu regulieren. Selbst wenn der Hydraulikspalter unter Verstoß gegen Mindestvorschriften für die Arbeitsmittel gem. § 4 BetrSichVO in Gang gesetzt wurde und dabei etwaig gegen Anweisungen des Herstellers der Maschine bzw. eine Betriebsanweisung über den Betrieb verstoßen worden sein sollte, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Eintritt des Unfalls von dem Beklagten gewollt war (dolus directus) oder jedenfalls billigend in Kauf genommen worden ist (dolus eventualis). Allein der verstoß gegen zugunsten der mit dem Betrieb der Spaltmaschine betrauten Arbeitnehmer bestehenden Schutzpflichten indiziert keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls. (BAG 28.04.2011 – 8 AZR 769/09, Juris; LAG Köln 03.08.2011 – 9 Sa 1469/10, Juris). Dass die Beklagten die mit der Fernbedienung verbunden Gefährdungsbeurteilung erstellt, nach welcher er gehandelt hatte. Dabei ist es zumindest denklogisch nachvollziehbar, dass der Beklagte in dem Glauben war, durch die Nutzung der bei Erwerb der Maschine bereits mitgelieferten (und nicht eigens von ihm angeschaffen) Fernbedienung mögliche Gefährdungen sogar minimieren, da die Bedienung der Spaltmaschine hierdurch von einem vom Gefährdungsbereich weiter entfernteren Arbeitsplatz möglich war, als es die Bedienung der Maschine durch einen an ihr unmittelbar angebrachten Schalter ermöglicht hätte. Es mag auch sein, dass der Boden unter und um die Maschine derart unaufgeräumt oder ,,glitschig“ war, dass der Kläger deshalb ausrutschte. Aber auch dies unterstellt lässt dich nicht feststellen, dass die Beklagten den Unfall billigend in Kauf nahmen und nicht nur darauf vertrauten, es werde alles gut gehen (grobe Fahrlässigkeit).
2. Die vom Kläger gegen die Vorschrift erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht stichhaltig.
Die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden §§ 636 ff. RVO als Vorläuferbestimmungen der §§ 104 SGB VII sind im Hinblick darauf, dass sie auch den Anspruch auf Schmerzensgeld ausschließen, obwohl die gesetzliche Unfallsversicherung immaterielle Schäden nicht ersetzt, mehrfach Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung gewesen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Normenkontrollanträge und Verfassungsbeschwerden stets zurückgewiesen (BVerfG 07.11.1972 – 1BvL 4/71, Juris; BVerfG 08.02.2005 – 1 BvR 753/94, Juris). Dazu hat es ausgeführt, das Entschädigungssystem der Unfallversicherung sei insgesamt nicht ungünstiger als das des Privatrechts, weil es anders als dieses Leistungen einerseits auch dann gewähre, wenn der Unfall nicht von einem Dritten verschuldet worden sei, und andererseits ein Mitverschulden des Verletzten nicht zu einer Leistungskürzung führe. Zudem hätten die §§ 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI und 57 SGB VII die Situation des Schwerstverletzten weiter verbessert, indem die Unfallrente teilweise nicht mehr auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet, bzw., wenn eine solche nicht zu zahlen sei, der Verletzte infolge des Unfalls aber einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen könne, um 10% erhöht werde. Damit werde Schwerstverletzten nunmehr eine Leistung gewährt, die über den materiellen Schadenausgleich hinausreiche und dementsprechend nur als Kompensation der Einbußen an Immaterialgüterrechten verstanden werden könne. In der dem Sozialversicherungsrecht typischen pauschalierenden Betrachtungsweise werde damit der Entzug des Schmerzensgeldanspruchs durch die §§ 104 ff. SGB VII zumindest teilweise kompensiert (vgl. hierzu auch ErfK-Rolfs, § 104 ff. SGB VII Rn. 2). Auch nach der Schuldrechtsreform hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Bestimmungen nochmals überprüft und bestätigt (BVerfG 27.02.2009 – 1 BvR 3505/08, Juris). Dem folgt ersichtlich auch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung (BAG 20.06.2013 – 8 AZR 471/12, Juris BAG 19.02.2009 – 8 AZR 188/08 -, Juris; LAG Köln 03.08.2011 – 9 Sa 1469/10 – Juris; LAG Rheinland-Pfalz 08.01.2009 – 2 Sa 481/08, Juris; Hess LAG 12.08.2009 – 2 Sa 579/09, Juris). Die Kammer sah trotz der für den Kläger erkennbaren und äußerst bedauernswertern massiven finanziellen, psychischen und physischen Auswirkungen des Unfalls keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden Rechtsprechung.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wurde gem. § 61 Abs. 1 ArbGG iVm. § 3 ZPO festgesetzt. Der Antrag zu 1) wurde mit 80.000,– Euro, der Antrag zu 2) mit dem Regelsatz von 5.000,– Euro, der Antrag zu 3) mit 20.985,50 Euro und der Feststellungsantrag zu 4) mit dem dreifachen Betrag des Antrags zu 3) verbunden mit einem Abschlag von 25 %, mithin mit 47.217,37 Euro zugrunde gelegt.
–
Weitere Beiträge zu diesem Thema finden Sie hier.
Sie haben nähere Fragen zu diesem oder einem ähnlichen Sachverhalt? Dann nehmen Sie hier Kontakt zu uns auf!
Zurück zur Startseite Rechtsanwälte Römer
Comments are closed.