Unfall mit Handbike – Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde – Überfahren eines umgelegten Sperrpfostens mit Handbike
Mit Urteil vom 26. Oktober 2012 – Az. 1 O 92/10 hat das Landgericht Heidelberg entschieden, dass das Versäumnis des Wiederaufstellens eines umgelegten Sperrpfostens eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der zuständigen Gemeinde darstellt. Wenn dieser Sperrpfosten mit einem Handbike überfahren wird und hierdurch dem Handbiker ein Schaden entsteht, ist die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde haftbar. Allerdings trifft den Handbiker ein Mitverschulden.
Tenor
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 883,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 850,25 € seit dem 18.12.2009 und aus 33,23 € seit dem 14.10.2011 zu zahlen.
- Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.800 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2009 zu zahlen.
- Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2009 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 10.06.2009 unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 50 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund Urteils vollstreckbaren Vertrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1980 querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Am 10.06.2009 befuhr er mit seinem Handbike die Verlängerung der L.-Straße in W., die mit zwei Sperrpfosten von der L.-Straße abgegrenzt ist. Sein Handbike ist ein mit einer Handkurbel angetriebenes Liegerad, in dem der Kläger eine Kopfhöhe von 55 bis 60 cm hat. Die Handkurbel befindet sich knapp unterhalb der Augenhöhe des Fahrers.
Die beiden Sperrpfosten, die die L.-Straße absperren, sind 80 cm hoch und 7 cm breit und am Übergang zur Straße mit einer ca. 8 cm hohen grauen Metallbodenhülse versehen. Am 10.06.2009 war der aus Sicht der Verlängerung der L.-Straße linke Sperrpfosten umgelegt. Die Beklagte war dort mit Herrn B. hindurch gefahren. Nach der Durchfahrt stellte sie den Sperrpfosten nicht wieder auf. Der Kläger fuhr mit seinem Handbike gegen die Metallbodenhülse und erlitt dabei eine beidseitige Fraktur des Schambeins, eine beidseitige Fraktur des Sitzbeins, eine Kreuzbeinfraktur rechts, eine Fraktur des Dornfortsatzes des fünften Lendenwirbels und eine Beckenringfraktur. Die Verletzungen wurden konservativ behandelt. der Kläger war 6 Wochen lang arbeitsunfähig.
Bei dem Unfall ist das Handbike des Klägers beschädigt worden. Für die Reparatur musste er 1.675,50 € aufwenden. Zusätzlich macht er eine Unkostenpauschale von 25 € geltend.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil der umgelegte Sperrpfosten selbst aus der Entfernung nicht erkennbar gewesen sei. Das Grau der Metallbodenhülse habe sich nicht vom Grau des Asphalts abgehoben. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn farblich oder mit Katzenaugen zu kennzeichnen.
Der Kläger behauptet, seine Verletzungen seien nicht vollständig ausgeheilt. Er habe durch den Unfall eine persistierende posttraumatische Beschwerdesymptomatik im linken Hüft- und Sitzbeinbereich sowie im Bereich der Wirbelsäure erlitten. Im Bereich des Beckens sei unfallbedingt eine komplette Verkippung feststellbar. Als Dauerschaden seien Belastungsschmerzen zurückgeblieben. Weiterhin seien unfallbedingt Erektionsstörungen aufgetreten und er sei unfallbedingt zu 100 % arbeitsunfähig. Für eine ärztliche Stellungnahme in diesem Zusammenhang musste der Kläger 66,45 € aufwenden. Er ist der Ansicht, für die Gesamtheit seiner Verletzungen sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,00 € angemessen.
Der Kläger beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2009 zu zahlen.
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 10.06.2009 zu bezahlten, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträge oder sonstige Dritte übergehen.
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.766,95 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 402,82 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet den Unfall mit Nichtwissen. Sie behauptet, der umgelegte Sperrpfosten sei so gut erkennbar gewesen, dass eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht bestanden habe. Der Verkehrssicherungspflichtige müsse nur vor solchen Gefahren warnen, auf die sich der Verkehr nicht oder nicht rechtzeitig einstellen könne. Hier habe sich der Verkehr aber auf den umgelegten Pfosten, der immerhin 8 cm über den Boden hinausgereicht habe, einstellen können. Hinzu komme, dass ein Handbike-Fahrer relativ flach auf seinem Fahrzeug liege und daher seine Geschwindigkeit so einrichten müsse, dass er Hindernisse rechtzeitig erkennen könne. Jedenfalls sei ein grobes Mitverschulden des Klägers gegeben.
Die Beklagte bestreitet die posttraumatische Beschwerdesymptomatik des Klägers, die Unfallbedingtheit von Erektionsstörungen und die 100%-ige Arbeitsunfähigkeit. Sie gibt zu bedenken, dass der Kläger nach ihren Nachforschungen in den Jahren 2010, 2011 und 2012 an Handbike-Rennen über eine Distanz von bis zu 44 km teilgenommen hat und seine Beschwerden dadurch möglicherweise verschärft, wenn nicht sogar bedingt würden.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines technischen und eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die (eingeholten) Gutachten (….) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
(Unfall und Verkehrssicherungspflicht)
Entscheidungsgründe:Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 2.683,48 € aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2, 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG.
1. Die Beklagte, die unstreitig für die L.-Straße als öffentlichem Weg verkehrssicherungspflichtig war, hat ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung ist derjenige, der einen Verkehr eröffnet, verpflichtet, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und zumutbar sind, um eine Schädigung Dritter möglichst zu verhindern (BGH, NJW 2007, 762 mwN). Erforderlich ist, was ein umsichtiger und verständiger, vernünftiger und vorsichtiger Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (BGH, NJW 2006, 2326). Der Dritte ist aber in der Regel nur vor solchen Gefahren zu schützen, die er selbst ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden bzw. beherrschen kann (BGH, NJW 2010, 1967, 1968; NJW 2004, 1449, 1551).
Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht hier dadurch verletzt, dass sie am 10.06.2009 einen von zwei Sperrpfosten nach der Durchfahrt von berechtigten Personen nicht wieder aufgestellt hat und auch nicht auf den liegenden Pfosten hingewiesen hat. Der liegende Pfosten stellte nach Ansicht des Gerichts eine Gefahr dar, die die durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer bei Anwendung der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt nicht ohne weiteres rechtzeitig erkennen konnten. Denn erstens hebt sich die ca. 8 cm hohe Metallbodenhülse farblich kaum von dem darunter liegenden Straßenbelag ab. Das Augenmerk der Verkehrsteilnehmer ist ohnehin in der Hauptsache nicht auf den gerichtet, so dass niedrige Hindernisse in der Regel schlechter wahrgenommen werden als höhere. Wenn dann weiterhin dieses niedrige Hindernis sich farblich, zumindest von vorne betrachtet, kaum von Straßenbelag unterscheidet, würde ein vorsichtiger Verkehrsangehöriger die Errichtung eines solchen Hindernisses möglichst vermeiden. Den rot-weiß gestreiften umgelegten Teil des Pfostens nimmt man perspektivisch erst später wahr. Hinzu kommt, dass gerade aus der Fahrtrichtung des Klägers niedrige Hindernisse erst spät erkennbar sind, weil die Straße, wie es der Sachverständige in seinem Gutachten geschildert hat, zunächst ein wenig ansteigt und erst im Kreuzungsbereich mit dem M.-Weg wieder abfällt, so dass auch aufgrund dieses Geländeverlaufs eine Vermeidung niedriger Hindernisse nahe lag. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nur ein Pfosten umgelegt, der andere aber aufgerichtet war. Dies führt dazu, dass die Verkehrsteilnehmer sich auf den aufgerichteten Pfosten als klar erkennbares Hindernis konzentrieren und ihre Aufmerksamkeit auf dessen Umfahrung konzentrieren. Dass nur einer von zwei Sperrpfosten umgelegt ist, ist eine ungewöhnliche Situation, mit der ein Verkehrsteilnehmer nicht ohne weiteres rechnet und die daher zu vermeiden oder zumindest so zu kennzeichnen ist, dass jedermann sicht darauf einstellen kann. Da dies für Beklagte erkennbar war und die Aufstellung des linken Sperrpfostens nach der Durchfahrt durch (die berechtigten Personen) ohne weiteres zumutbar war, ist die Verkehrssicherungspflichtverletzung auch schuldhaft begangen.
2. Den Kläger trifft jedoch an dem Unfall ein Mitverschulden. Dieses resultiert allerdings nicht daraus, dass der Kläger unaufmerksam gewesen wäre oder zu spät auf den für ihn wahrnehmbaren Pfosten reagiert hätte. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass bei einer angenommenen Geschwindigkeit von 25 km/h, die der Kläger selbst im Ortstermin angegeben hat, der umgelegte Pfosten für ihn bei einer gemessenen Sitzhöhe von 55 bis 60 cm über dem Boden aus einer Entfernung von 8 bis 6 m erkennbar gewesen sei. In seinem Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige weiter ausgeführt, dass es dem Kläger bei der Geschwindigkeit von 25 km/h nicht möglich gewesen wäre, bei einer Wahrnehmung des umgelegten Pfostens aus 8 m Entfernung diesem auszuweichen. Bei einer Wahrnehmung aus 10 m Entfernung wäre ihm dies möglich gewesen, hier zeigen allerdings die Lichtbilder des Sachverständigen (…), dass eine Wahrnehmung aus 10 m für den Kläger nicht gesichert möglich war. Denn auf den Lichtbildern ist nur von der neben dem rechten Auge des Klägers angebrachten Kamera die Metallbodenhülse des Sperrpfosten aufgenommen worden, von der am linken Auge angebrachten nicht. Konsequent hat der Sachverständige auch als Ergebnis seines Gutachtens festgehalten, dass der umgelegte Sperrpfosten erst aus einer Entfernung von 8 bis 6 m von dem Kläger wahrnehmbar gewesen sei.
Ein Mitverschulden des Klägers ergibt sich allerdings daraus, dass er sich nicht mit einer situationsangemessenen Geschwindigkeit bewegte, weil er keine ausreichende Sicht nach vorne hatte. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO hat ein Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisses sowie seinen persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Der Kläger fuhr hier auf einem Handbike in Form eines Liegerads, bei dem seine Augenhöhe nach den Feststellungen des Sachverständigen 55 bis 60 cm über dem Boden lag. Das ist deutlich tiefer als bei erwachsenen Fahrradfahrern (nach den Ausführungen des Sachverständigen 1,8 m) oder fahrradfahrenden Kindern (1,2 m). Zudem war sein Blick nach vorne durch die Handkurbel und die diese betätigenden Arme teilweise verdeckt. Aufgrund der Besonderheiten des Fahrzeugs des Klägers war daher von vornherein klar, dass er eine im Vergleich zu anderen Verkehrsteilnehmern geringere Sicht hatte, einerseits wegen der geringen Augenhöhe, andererseits wegen der Sichtverdeckung durch die Handkurbel und die Arme des Fahrers. Gerade die Sicht auf den Boden geradlinig vor dem Kläger war dadurch eingeschränkt. In dieser Situation ist eine Geschwindigkeit von 25 km/h auch bei ansonsten freier Sicht in geringem Verkehrsaufkommen als überhöht anzusehen. Wie der Sachverständige festgestellt hat, verlief der Weg, den der Kläger befuhr, nicht in einer glatten Ebene, sondern wies Steigungen und Gefälle auf. Der Kläger musste daher immer damit rechnen, dass er Hindernisse, die im Straßenverlauf auftauchten, wegen der Besonderheiten seines Fahrzeugs und seiner Fortbewegungsweise erst spät erkennen konnte. Nach den Ausführungen des Klägers (…) handelte es sich bei dem Weg um einen Fuß- und Radweg, so dass der Kläger damit rechnen musste, dass dieser Weg auf die Bedürfnisse von Fußgängern und Radfahrern, nicht aber auf die Bedürfnisse von Liegeradfahrern mit ganz geringer Kopfhöhe ausgerichtet war. Er durfte sich daher nur mit einer solchen Geschwindigkeit fortbewegen, die ihm in etwa die Reaktionsmöglichkeit eines Fahrradfahrers vermittelte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte aber ein Fahrradfahrer bei angepasster Annäherungsgeschwindigkeit gebotener Aufmerksamkeit den umgelegten Sperrpfosten in ausreichender Entfernung erkennen und umfahren können.
Das auf der unangepassten Geschwindigkeit des Klägers beruhen Mitverschulden bewertet das Gericht mit 50 %.
3. Der materielle Schaden des Klägers ist unstreitig – Reparaturkosten in Höhe von 1.675,50 €, Unkostenpauschale in Höhe von 25 € und Kosten für eine ärztliche Stellungnahme in Höhe von 66,45 €, insgesamt 1.766,50 €. Diese kann der Kläger zur Hälfte, also in Höhe von 886,48 € ersetzt verlangen.
4. Hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs waren zur Ermittlung eines Betrages, der dem Ausgleichs- und Genugtuungsinteresse des Klägers gerecht wird, folgende Umstände zu berücksichtigen: der Kläger hat eine beidseitige Fraktur des Sitzbeins, eine Kreuzbeinfraktur rechts, eine Fraktur des Dornfortsatzes des fünften Lendenwirbels und eine Beckenringfraktur erlitten. Die Verletzungen wurden konservativ behandelt. Der Kläger war 6 Wochen lang arbeitsunfähig. Nach dem Ergebnis des fachorthopädischen Gutachtens ist die Beckenringfraktur insbesondere im Bereich des linken Sitzbeins in Fehlstellung mit Stufenbildung verheilt, wobei aber auch im Bereich des rechten Sitzbeins eine Stufenbildung festzustellen sei. Dadurch ist es nach den Ausführungen des Gutachters zu einer wesentlichen Verschärfung der für den Kläger als Rollstuhlfahrer ohnehin schon erheblichen Belastung des Sitzbeinbereichs gekommen. Es ergebe sich eine stark erhöhte Weichteilbelastung mit der Gefahr eine Druckstellenentwicklung und deren Komplikationen, der nur durch Entlastung des Sitzbeinbereiches und damit einer Reduktion der Sitzzeit begegnet werden könne, was zu einer Reduktion der Teilnahme am sozialen Leben führe. Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung an. Es bestand kein Anlass, ein weiteres Gutachten zu der Frage einzuholen, ob die sportlichen Einsätze des Klägers mit dem Liegerad und das und das entsprechende Training die Weichteilbelastung des Klägers mit der Gefahr der Druckstellenentwicklung nicht nur verschärft, sondern sogar verursacht habe. Denn dieser Einwand gegen das Ergebnis des Sachverständigengutachtens ist erst nach Ablauf der nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist vorgebracht worden. Da die Einholung eines weiteren Gutachtens den Rechtsstreit verzögert und das verspätete Vorbringen nicht entschuldigt worden ist, wird das Vorbringen gemäß § 411 Abs. 4, 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Es ist im Übrigen auch unwahrscheinlich, dass sich dadurch die Bewertung des Gutachtens ändert, denn fest steht, dass der Beckenringbruch ein Fehlstellung verheilt und zu einer Stufenbildung an den Sitzbeinhöckern geführt hat. Diese Beurteilung des Sachverständigen und die dadurch bestehende Gefahr der Druckstellenbildung wird sich durch die neu vorgetragenen Tatsachen nicht verändern. Möglich ist allenfalls, dass eine tatsächlich in der Zukunft auftretende Druckstelle nicht auf den Unfall, sondern auf die sportliche Betätigung des Klägers zurückzuführen sein wird, was aber nicht Gegenstand dieses Rechtsstreit ist. Der sportlichen Betätigung des Klägers lässt sich allerdings entnehmen, dass er nach dem Unfall keineswegs sozial zurückgezogen ist, sondern dass ihm eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglich ist, wenn er auch stärker auf eine Entlastung seiner Sitzbeine achten muss als vor dem Unfall.
Soweit der Sachverständige festgestellt hat, dass ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Brennschmerzen des Klägers im linken Beinbereich nicht wissenschaftlich beweisbar, aber wahrscheinlich ist, ist das Gericht nach Bewertung aller Umstände gemäß § 286 ZPO davon überzeugt, dass eine Unfallkausalität besteht. Insbesondere hat der Sachverständige keine anderen alternativen Ursachen feststellen können, sondern betont, dass diese Schmerzen vor dem Unfall nicht vorhanden waren und auch nicht in den Behandlungsunterlagen des Klägers aus der Zeit vor dem Unfall genannt sind. Sie sind daher bei der Bemessung des Schmerzensgelds zu berücksichtigen.
Nicht bewiesen sind dagegen die Unfallkausalität der Elektrostörungen sowie das Vorliegen einer 100%-igen Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger übt vielmehr eine Erwerbstätigkeit aus.
Zu berücksichtigen bei der Bemessung des Schmerzensgelds ist zudem, dass der Kläger den Unfall zu 50% mitverschuldet hat.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 1.800€ für angemessen.
5. Der Feststellungsantrag unter Berücksichtigung einer Mitverschuldungsquote von 50% begründet. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass aufgrund der Stufenbildung an den Sitzbeinen eine gegenüber dem Zustand vor dem Unfall wesentlich erhöhte Gefahr von Druckstellenbildung und deren Komplikationen besteht. Ob sich diese Gefahr in der Zukunft realisieren wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorsehbar.
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